Inhaltsverzeichnis

Warum wir auch im Business über Emotionen sprechen sollten.

Nach gefühlt 100 Tagen im Corona-Chaos, nicht enden wollenden Home-Office Themen, Führungs- und Gefühlschaos bei mir und meinen Kunden, spreche ich in der heutigen Episode über typische Phasen von Lebenskrisen und was Sie tun können, damit Sie schneller damit durch sind.

Vielleicht haben Sie schon einmal etwas von der Gefühlsachterbahn, dem „Roller Coaster Ride“ nach Hurst & Shepard, gehört. Diese beiden Wissenschaftler habe ich im Rahmen von meinem Psychologiestudium näher kennen gelernt.

Sie unterscheiden verschiedene Gefühlsphasen, welche Menschen durchleben, wenn etwas Schlimmes passiert oder wir in einer Lebenskrise feststecken. Mit allen Höhen und Tiefen. Die Phasen auf einen Blick finden Sie am Ende des Beitrages.

Auch bei Krisen wie Corona trifft die von ihnen beschriebene Achterbahn der Gefühle ziemlich genau was viele Menschen in meinem Umfeld gerade durchleben und beschreiben. 

Damit dieses Modell etwas mit Leben gefüllt wird, beschreibe ich für Sie die verschiedenen Phasen anhand von konkreten Rückmeldungen, welche mich in der Corona-Krise erreicht haben.

Es zeichnete sich schon ziemlich früh ab, dass diese Krise auch Europa bevorsteht.

Wer Nachrichten schaute oder sich umhörte musste ahnen, dass Corona auch zu uns nach Deutschland kommt und zu echten gesundheitlichen und wirtschaftlichen Problemen führt. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich aber vielleicht noch etwas Hoffnung, dass es anders kommt.

Der Phase der Vorahnung folgte der Schock.

Spätestens mit der ersten Erkrankten, war es Realität. Corona hatte Deutschland erreicht. 

Nach dem ersten Schock kommt die Trauer.

Trauer über das was gerade nicht mehr geht oder was für immer verloren scheint.

Was tun …

Sich mehr anstrengen, der Sorge freien Raum lassen oder Corona ganz leugnen.

Alles natürliche Phasen, wenn man der Gefühlsachterbahn nach Hurst & Shepard weiter folgt. Ich war also total im Plan.

Doof nur, wenn dann die Wut hochkommt, weil alles nicht so schnell funktioniert wie ich es dachte und kurz auch der Gedanke ans Aufgeben attraktiv war.

Ganz unten angekommen fühlt es sich an, als ob man mitten in einer Depression steckt.

Zumindest stelle ich es mir so vor. Alle Ideen scheinen sinnbefreit und nicht realisierbar. Der Tunnelblick setzt ein und man wird immer langsamer, bis in dieser vollkommenen Entschleunigung nichts mehr geht.

Zum Glück ist das noch nicht das Ende des Modells. Und wer mich kennt weiß, dass ich schon ein kleiner Zwangsoptimist bin. Also … weiter geht’s.

Es gibt neue Idee, neue Hoffnung und mein Enthusiasmus packt mich.

Die letzten Reserven werden mobilisiert, Nachtschichten eingelegt, der Motor läuft an. Die Entwicklungszone ist mein neuer Lieblingsfreund …

Immer schneller, immer besser. Und jetzt. Jetzt … tadaaaaa …

Ich traue mich es kaum zu sagen, aber all das was ich normalerweise offline mache ist online auch möglich. Das beste daran … es ist fast ein adäquater Ersatz.

Und ich habe endlich mein Online-Mentoringprogramm für Führungskräfte auf die Beine gestellt, das schon länger als Konzept bei mir in der Schublade lag und es startet bereits Ende April.

Die Krise – zumindest die emotionale – habe ich überwunden und was soll ich sagen … es ist sogar noch besser als vorher.

Kritiker könnten an dieser Stelle jetzt einwerfen … mal abwarten was noch kommt … ja und es könnte sein, dass die nächste Krise in Form einer Viruswelle schon bald wieder vor der Tür steht … und ja … es könnte alles noch viel schlimmer werden … und ja das ist auch eine Variante der Verlaufsform des Modells.

Aber auf jeden Fall meine nicht.

Und wissen Sie warum?

Weil ich mich dagegen entschieden habe.

Jetzt denken Sie vielleicht – die spinnt – ja vielleicht. Vielleicht betrachte ich aber die Krise auch einfach systemischer als zu Beginn. Doch dazu am Ende dieser Episode noch etwas mehr. 

Ich möchte gerne noch ein paar Tipps mit Ihnen teilen wie Sie Ihre eigene – persönliche – Gefühlsachterbahn besser aushalten können.

Erster Tipp: 

Sie sollten in Bewegung bleiben.

Je mehr Sie psychisch erstarren, desto mehr sollten Sie physisch in Bewegung kommen.

Nutzen Sie die Möglichkeit schnell Mal in der Mittagspause um den Block zu gehen oder nachmittags einen längeren Spaziergang zu machen. Eine meiner Studienkolleginnen macht sogar täglich vor oder nach der Arbeit einen Nordic Walking Rundgang von 10 km. Und bei dem fantastischen Wetter der letzten Tage ist dies einfach nur perfekt.

Tipp Nummer zwei:

Strukturieren Sie Ihren Tag.

Räumen Sie auf, geben Sie sich Struktur oder schaffen Sie Ordnung.

Was meine ich damit genau … Geben Sie sich selbst eine Tagesstruktur. Stehen Sie wie gewohnt morgens auf, bleiben Sie nicht in ihrem Freizeitoutfit stecken, kochen Sie sich einen Kaffee und später etwas zum Mittag, arbeiten Sie normal und vor allem machen Sie auch pünktlich Feierabend. 

Selbst in Zeiten von Corona ist es wichtig eine gute Balance zwischen Beruf und Freizeit zu finden. In meinem Freundeskreis nehme ich wahr, dass es schwierig ist genau diese Balance zu finden und zu halten. Neben fehlender Kinderbetreuung sind es nicht selten die Arbeitskollegen, welche noch spät abends anrufen und dafür sorgen, dass beide Bereiche sich miteinander mischen. Versuchen Sie soweit es geht hier eine Trennung hinzubekommen. Und wie es in der Praxis so ist … manchmal wird es gelingen – manchmal eher nicht. Wichtig ist, dass Sie es noch wahrnehmen. Gefährlich wird es, wenn es normal ist.

Tipp Nummer drei:

Unterbrechen Sie Ihre Gedankenkreise.

Versuchen Sie einen klaren Kopf zu behalten. Meinen Kunden empfehle ich immer feste Grübelzeit am Tag einzuplanen. Suchen Sie sich eine bestimmte Uhrzeit aus, zu der sie sich 15 Minuten Zeit nehmen um alles was an dem Tag war noch einmal kurz zu reflektieren.

Fragen Sie sich …

  • An welchen Punkten hängen Sie noch fest?
  • Was beschäftigt Sie?
  • Was sollten Sie unbedingt noch aufschreiben damit Sie es nicht vergessen?

Stellen Sie sich den Wecker ihres Handys, um diese Grübelzeit zu begrenzen. Wenn alles aus dem Kopf raus ist was raus musste, können Sie viel leichter Ihren Feierabend genießen.

Manchmal hilft auch ein Gespräch mit Freunden oder Familie über berufliche Belange. Aber achten Sie darauf, dass diese Themen nicht Ihre Freizeit bestimmen.

Tipp Nummer vier:

Pflegen Sie Ihre sozialen Kontakte.

Nur weil Sie sich mal nicht persönlich sehen können, bedeutet es nicht das die Qualität der Beziehung leiden muss. Probieren Sie Alternativen aus.

Wie wäre es beispielsweise mit einem virtuellen Bier zum Feierabend oder einem Café zum Nachmittag, einen Spieleabend online oder vielleicht haben Sie noch eine viel bessere Idee.

Manchmal verbringe ich auch meine Mittagspause virtuell mit Kunden oder Kollegen. Wie sagte das eine Kundin diese Woche so schön: „Online ist ja genauso gut wie offline. Das hätte ich nicht gedacht!“

Um letztlich beurteilen zu können was den Unterschied macht oder was gleich gut ist, muss man es selbst ausprobieren.

Tipp Nummer fünf:

Versuchen Sie positiv zu bleiben.

Auch wenn Corona nicht dazu einlädt positiv zu denken, sollten Sie versuchen optimistisch und zuversichtlich zu bleiben.

Schauen Sie auch auf das was im Moment noch möglich ist, schauen Sie auf das was ihnen gut gelingt.

Tipp Nummer sechs:

Machen Sie jetzt genau die Dinge, für die Sie sonst nie Zeit hatten.

Gönnen Sie sich eine kleine Weiterbildung oder räumen Sie den Keller auf. Nutzen Sie die freie Zeit um unliebsame Dinge zu erledigen.

Idealer Weise finden Sie einen Mix zwischen dem was Ihnen richtig Spaß macht und dem was einfach mal dringlich zu erledigen ist.

Tipp Nummer sieben:

Bereiten Sie sich jetzt gedanklich auf die Zeit nach Corona vor.

Bewusst sage ich jetzt nicht auf die Zeit wie es mal war. Wie es wird wissen wir nicht. Und es wird vermutlich auch anders sein als wir im Moment denken.

ABER, wir sollten auch gedanklich in Bewegung bleiben. Manchmal hilft es, sich schon jetzt etwas vorzustellen, in den verschiedensten Facetten, um dann im Ernstfall nicht überrascht zu sein und handlungsfähig zu bleiben.

Letztlich wird es auch in Zukunft vermutlich immer mal wieder so sein, dass wir mit Ungewissheit umgehen müssen.

Doch neben alldem was durch diese Krise für uns persönlich oder auch als Führungskraft schwierig ist sollten wir auch dahin schauen, was es uns ermöglicht.

Gerade Führungskräfte haben die Möglichkeit sich in dieser Krise zu zeigen. Sich zu positionieren und für die eigenen Mitarbeiter da zu sein.

Vielleicht haben Sie bei dem, was ich geschrieben habe, auch Parallelen bei sich entdeckt. Vielleicht stecken Sie auch noch mitten auf Ihrer Gefühlsachterbahn fest.

Wie es so ist es immer bei Modellen. Wir Menschen durchlaufen diese in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Und so kann es sein, dass Ihre Mitarbeiter an einem ganz anderen Punkt stehen als Sie.

Sprechen Sie Ihre Mitarbeiter offen darauf an. Manchmal braucht es einen kleinen “Erlauber” von Außen, um sich offen über Ängste, Befürchtungen oder Hoffnungen austauschen zu können.

Geben Sie Ihren Mitarbeitern Sicherheit und Orientierung. Thematisieren Sie auch die Rückkehr zur neuen Normalität.

Das tückische an der Kurve, welche ich Ihnen eben vorgestellt habe ist, dass sie nicht mit der Überwindung der Krise stoppt.

Sondern wie heißt es so schön …

Nach der Krise ist vor der Krise. Auch wenn die nächste Krise vielleicht nicht so groß wie Corona sein wird, wird es immer wieder so sein, dass es diese verschiedenen Emotionen bei Ihnen oder Ihren Mitarbeitern im Unternehmen geben wird. Vielleicht auch nur in abgemilderter Form.

Wie versprochen noch ein systemischer Gedanke zum Schluss. Hier möchte ich gerne Gunther Schmid zitieren.

Etwas verkürzt gesagt gibt es eine Krise aus hypno-systemischer Sicht nicht. Was es allerdings gibt ist ein jeweils subjektives Erleben der Krise.

Ängste in der Gegenwart entwickeln sich durch Phantasien, die eine Form der Realitäts-Konstruktion sind. Da niemand seine Zukunft kennen kann, sind Ängste immer nur Ausdruck von Hypothesen „wie es sein könnte“, aber niemals von Wahrheit.

Das bedeutet aber auch, dass weder unsere Vergangenheit noch unsere Zukunft das Erleben der Gegenwart bestimmen kann. Umgekehrt funktioniert es jedoch schon.

Die Gestaltung der Gegenwart bestimmt die Wirkung von Vergangenheit und Zukunft.

Wie beschreibt es Gunther Schmidt so schön … „Unser Gehirn lebt nur in der Gegenwart.“

Deshalb zum letzten und wichtigsten Tipp für heute.

Wenn sie merken, dass sie von Angst, Wut oder Trauer geflutet werden, und diese Emotionen so ganz und gar nicht zu Ihnen passen, dann setzen Sie bewusst einen Stop.

Treten Sie einen Schritt zurück, nehmen Sie sich einen Moment Zeit und überlegen Sie.

Passt diese Emotion zu den objektiv wahrnehmbaren Fakten oder entspringt sie ihrer Fantasie – beispielsweise einer negativen Zukunftsprognose, die Sie sich selbst gegeben haben. 

Wenn es eine „selbst konstruierte“ Emotion ist, dann entscheiden Sie im nächsten Schritt ob Sie diese weiter behalten möchten. Und wenn nicht – was hätten Sie denn stattdessen lieber?

Klingt kompliziert? Vielleicht manchmal. Aber meistens gelingt es sehr schell, sehr gut.

Alleine, dass Sie sich erlauben über diese Emotion auf diese Art und Weise nachzudenken, nimmt ihr schon ein Stück Schwere.

Die wichtigste Frage kommt am Ende:

Wie wollen Sie zukünftig mit solchen Ausnahmesituationen umgehen?

Machen Sie es so wie ich und halten durch oder stecken Sie den Kopf in den Sand?

An genau diesem Punkt knüpft meine nächste Podcastepisode (Episode 12) an.

In der nächsten Episode spreche ich über Business-Resilienz und wie wir mit Mindful Leadership bewusst in Führung gehen können.

Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit & bleiben Sie gesund.

Ihre Eva Scheuba

 

Hier wie versprochen noch die Phasen des “Roller Coaster Modell” nach Hurst/Shepard (1986) auf einen Blick:

  1. Vorahnung. Die Menschen ahnen bereits, dass eine Krise bevorsteht.
  2. Schock. Trotz aller Vorzeichen führt das Eintreten der Krise – die Gewissheit darum – zu einem Schock. Dieser Schock sitzt tief. Es braucht Zeit, um die Situation zu realisieren und zu erfassen.
  3. a) Trauer. Bei persönlichen Verlusten ist die nächste Phase durch Trauer geprägt. Einem Gefühl der Leere oder manchmal auch Erleichterung.b) Anstrengung. Mut & Aktionismus führen dieser Phase dazu, dass neue Dinge ausprobiert werden. Ist die Anstrengung von Erfolg gekrönt, können die nächsten beiden Phasen übersprungen werden.
  4. a) Sorge. Nach dem Versuch sich selbst aus der Krise zu befreien folgen die ersten Zweifel. Was passiert, wenn der Plan scheitert oder wie kann es hier überhaupt weiter gehen?b) Leugnung. Alternativ kann hier auch ein Beschönigen einsetzen, um das Scheitern zu legitimieren.

    c) Wut. Im nächsten Schritt kommt die Wut. Es braucht einen Schuldigen. Frust und Ärger machen sich breit. Die Schuld wird bei sich selbst oder im Außen gesucht.

    d) Aufgabe. Da scheinbar alles nicht funktioniert, bleibt nur noch die Resignation.

    e) Depression. Der emotionale Tiefpunkt des Modells. Nicht selten fallen Betroffene in eine Art depressive Phase. Je nachdem welchen Stellenwert der Verlust vorher für den Betroffen hatte, kann das Selbstvertrauen einen massiven Knacks bekommen.

  5. Hoffnung. Neue Kräfte werden mobilisiert. Es gibt einen Lichtblick.
  6. Enthusiasmus. Es tut sich eine tatsächliche Lösung der Situation auf. Die Mühe der letzten Tage, Wochen, Monate zahlen sich aus.
  1. a) Überwindung. Die Krise ist überwunden und der Betroffene geht im besten Fall gestärkt und resilienter aus dieser schweren Zeit hervor.
  2. b) Neuer Zyklus. Tritt ein unerwarteter Misserfolg ein, zerplatzt die Hoffnung und umso tiefer ist der Absturz. Ein erneutes Abrutschen in den 4er-Phasen Zyklus beginnt und löst im schlimmsten Fall ein noch stärkeres Hinterfragen des eigenen Selbstwertes aus. Die eigene Hilflosigkeit ist spürbar.